
Institut für Rehabilitationswissenschaften, Berlin
In Berlin-Mitte werden Teile der ehemaligen Charité-Universitätskliniken in einen zentralen Campus für das Institut für Rehabilitationswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin umgewandelt. Die Transformation des denkmalgeschützten Baus von Martin Gropius und Heino Schmieden (1878-1883) in einen zukunftsfähigen Ort für Forschung und Lehre vereint die Vorgaben des Denkmalschutzes mit den Anforderungen des hindernisfreien Bauens.
Humboldt-Universität zu Berlin
2020-2027
Architektur, LPH 2-8
Fzwanzig Studio
Berlin und seine Bauten, Bd. VII,1877 Architektonisches Skizzenbuch Jg. 1885, H. 3, Bl.1
Martin Gropius & Heino Schmieden
Research & Education
Berlin, Deutschland


Zwischen Vergangenheit und Zukunft
Das Institut für Rehabilitationswissenschaften (IfR) der Humboldt-Universität ist bundesweit einzigartig, weil es neben der Grundlagenforschung sämtliche sonderpädagogischen Fachrichtungen umfasst. Das bisher auf mehrere Gebäude verteilte Institut erhält mit der Umnutzung der ehemaligen Klinik für Augen- und Ohrenheilkunde mit Zugang zur Spree und in unmittelbarer Nähe von Friedrichstadtpalast und Bahnhof Friedrichstrasse seinen neuen Ort.
Gropius, nach dem das Ausstellungshaus «Martin Gropius-Bau» in Berlin benannt ist, hat die Fertigstellung der Kliniken nicht mehr miterlebt, er starb bereits 1880.



Beim Bauen im Bestand wird das Vermitteln zwischen den Anforderungen und den Möglichkeiten immer auch zu einer Vermittlung zwischen Vergangenheit und Zukunft: Es gilt, das Denkmal bestmöglich zu schützen und gleichzeitig einen zukunftsfähigen Ort für Forschung und Lehre zu schaffen.

Äusserlich nahezu unverändert
Das Projekt umfasst das ehemalige Verwaltungsgebäude im Nordflügel sowie den westlichen Seitenflügel der Anlage. Die viergeschossigen Gebäudeteile sind durch einen historischen, über der Tordurchfahrt angeordneten Gang in Massivbauweise verbunden. Die Eingriffe im Denkmal werden so konzipiert, dass das äussere Erscheinungsbild der ehemaligen Klinik mit ihrem Sichtmauerwerk nahezu unverändert bleibt. Die reich verzierten rötlich-gelblichen Ziegelfassaden Fassaden werden lediglich gereinigt und durch einen Innendämmputz ertüchtigt. Auch die Bestandsfenster werden, so weit möglich, aufgearbeitet. Die schieferbedeckten Satteldächer im Nordflügel sowie Teilen des Westflügels werden mit einer PV-Anlage belegt, die den Anforderungen an die ökologische Nachhaltigkeit gerecht wird und sich zugleich optisch unauffällig in das Ensemble fügt.
Neu organisiertes Raumgefüge
Die neue Nutzung erfordert eine Transformation der baulichen Substanz. Die Achse im Haupteingang wird freigelegt und die neue Eingangssituation präsentiert sich dank einem geschossübergreifenden Luftraum grosszügiger.
Das Raumprogramm umfasst Unterrichts- und Seminarräume, Media- und Bibliothek, Werkstätten sowie Sprachlabore und ist übersichtlich organisiert. Die Teeküchen und Kopierräume sind zur besseren Orientierung der Nutzerinnen über die Geschosse hinweg an gleicher Stelle und so verortet, dass sie die Flure aufweiten. Nahezu alle Büro-, Seminar- und Übungsräume sind mit grossen Fenstern zum Innenhof ausgerichtet und dadurch gut belichtet und belüftet.
Neben der Transformation der Grundrisse sind eine Schadstoffsanierung sowie die energetische Ertüchtigung des Bestands erforderlich.






Das Bauwerk anders lesen
Mit der spezifischen Nutzung geht ein besonders hoher Anspruch an Inklusion einher: Für Rollstuhlfahrende wird eine schwellenlose Durchwegung durch das Bauwerk sichergestellt. Um im Erdgeschoss bzw. dem Hochparterre einen barrierefreien Übergang von der Ost- zur Westhälfte zu gewährleisten, wird eine neue Brückenkonstruktion durch die zentrale Durchfahrt erstellt. Neben den bereits bestehenden Aufzügen im Westflügel dient ein neuer barrierefreier Aufzug der vertikalen Erschliessung im Nordflügel. Verschiedene Leitsysteme sorgen dafür, dass sich Seh- und Hörbeeinträchtigte gut orientieren können. Für Sehbeeinträchtige wird das räumliche Gefüge beispielsweise durch Leitlinien am Boden oder Brailleschrift auf dem Treppenlauf lesbar.

Lob der Unvollkommenheit
Trotz der notwendigen Anpassungen im Innern, bleibt die ursprüngliche Ausgestaltung der Räume von Gropius & Schmieden erfahrbar. In ausgewählten Bereichen wie den Treppenhäusern wird auf Grundlage restauratorischer Untersuchungen das bauzeitliche Farbkonzept wiederhergestellt. Sinn für den Erhalt des Bestands zeigen auch die ornamentalen Treppengeländer. Die in Kupfer und Messing ausgeführten Elemente werden nicht rekonstruiert, sondern in sorgfältiger Schlosserarbeit saniert – die fehlenden Stellen werden bewusst gezeigt. Das Unvollkommene ist Teil des Konzepts.



